Was ist Radio Science?

Radio Science untersucht kleine Änderungen in Frequenz (Phase), Amplitude und Polarisation eines Radio-Trägersignals. Dieses wird (im Allgemeinen) von einer Raumsonde ausgesendet, breitet sich im interplanetaren Raum aus und wird schließlich auf der Erde empfangen. Die Änderungen der Parameter des Radiosignals entstehen durch die relative Bewegung zwischen Raumsonde und Bodenstation (Dopplereffekt), aufgrund der Ausbreitung durch neutrale (Planetenatmosphären) und ionisierte Medien (Ionosphären, Sonnenwind und Sonnenkorona) oder durch Reflexion an Planetenoberflächen. Diese Radiosignale werden normalerweise zur Kommunikation zwischen den Bodenstationen auf der Erde und der Raumsonde verwendet, um so die Raumsonde zu kommandieren oder Daten von der Raumsonde zur Erde zu senden. Das Signal von der Bodenstation zur Raumsonde wird normalerweise zur Steuerung der Raumsonde verwendet und als sogenannter „Uplink“ bezeichnet. Demgegenüber sendet die Raumsonde auf dem so genannten „Downlink“  Informationen und wissenschaftliche Daten zur Bodenstation auf der Erde.

Wissenschaftliche Anwendungsgebiete

Radio Science kann für eine Vielzahl von wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden. Hierzu zählen Untersuchungen der

  • Schwerefelder der Planeten, Monde, Asteroiden und Kometen
  • Neutralatmosphären
  • Ionosphären
  • Sonnenkorona
  • Oberflächen (Bistatisches Radar)
  • Planetenringe
  • Kometenkoma (Staub und Gas)

Die Frequenzen, die für diese Untersuchungen genutzt werden, liegen im Mikrowellenbereich. Häufig werden X-Band (8.4 GHz) und S-Band (2.3 GHz) verwendet. In neueren Experimenten auch Ka-Band (32 GHz). Idealerweise werden für den Downlink zwei köhärente Frequenzen (z.B. X- und S-Band) verwendet, da somit alle Frequenzstörungen, die proportional zur Trägerfrequenz sind (klassische Doppler-Effekte) von plasmainduzierten Effekten (durch Sonnenwind oder ionosphärisches Plasma) separiert werden können.

Messgeometrien

Die Geometrie der Messung hängt von dem jeweiligen wissenschaftlichen Nutzen ab. Bei Schwerefeldmessungen zeigt die Hochgewinnantenne der Raumsonde zur Erde, so dass kleine Änderungen in der Flugbahn der Raumsonde durch die gravitative Anziehung eines Körpers (Planet, Mond, Komet oder Asteroid) sichtbar werden (s. Fig. 1).

Untersuchungen der Neutralatmosphäre und Ionosphäre findet in sogenannter Erdokkultationsgeometrie statt. Während dieser Experimente verschwindet die Raumsonde von der Erde aus gesehen hinter dem zu untersuchenden Planeten, so dass sich die Radiosignale durch die Ionosphäre und Atmosphäre des Planeten  ausbreiten (s. Fig. 2). Das Gleiche passiert beim Wiederauftauchen der Raumsonde auf der anderen Seite des Planeten. Dies führt zu einer Beugung des Trägersignals, die als Frequenzverschiebung in der Bodenstation sichtbar wird. Anhand von gemoetrischer Optik oder anderen mehr komplexen Verfahren kann aus dieser Frequenzverschiebung  die Beugung des Signals berechnet werden und hieraus auf den Brechungsindex der Atmosphäre oder Ionosphäre als Funktion der Höhe geschlossen werden. In der Neutralatmosphäre lassen sich daraus in einem nächsten Schritt die Dichte, Temperatur und Neutralteilchendichte der Atmosphäre berechnen, während man in der Ionosphäre ein Elektronendichteprofil erhält. Radiookkultationen liefern sehr hochaufgelöste Profile (Auflösung wenige hundert Meter).

Figure 2: Messgeometrie bei Erdokkultationen.

Durch sogenannte bistatische Radarmessungen (Bistatic Radar) lassen sich Eigenschaften der Oberfläche bestimmen. Hierbei zeigt die Hochgewinnantenne der Raumsonde auf die Oberfläche des Planeten. Die Signale werden reflektiert und auf der Erde mit großen Bodenstationen aufgezeichnet (s.Fig. 3). Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich so die dielektrischen Eigenschaften der Oberfläche bestimmen.

Figure 3: Messgeometrie für bistatische Radarmessungen. Die Hochgewinnantenne der Raumsonde ist auf die Oberfläche gerichtet und die von der Oberfläche reflektierten Signale werden auf der Erde aufgezeichnet. Dies geschieht in zwei Polarisationen (rechts und links zirkular polarisiert) und zwei Frequenzen (X- und S-band). 

Wann immer der Winkel zwischen Raumsonde, Sonne und Erde klein ist und die Raumsonde von der Erde aus weiter entfernt ist als die Sonne, breitet sich der Radiostrahl von der Raumsonde durch den Sonnenwind aus (s. Fig. 4). Dies kann genutzt werden, um Messungen der Sonnenkorona durchzuführen. Man benötigt hierfür zwei kohärente Frequenzen, um die plasmainduzierten Effekte von anderen Störungen zu separieren.

Figure 4: Messgeometrie für Messungen der Sonnenkorona. Hierbei befindet sich die Raumsonde in oberer Sonnenkonjunktion. Dies bezeichnet Messungen mit einem Winkel zwischen Raumsonde,Erde und Sonne von weniger als 10°.

Der Radio-Link

Für Radio Science Experimente wird ein sehr stabiles Radiosignal benötigt. Hierzu ist zur Generation des Signals ein sehr stabiler Oszillator notwendig. Wenn die Raumsonde nicht über einen derart stabilen Oszillator verfügt, muss das stabile Signal von einem Wasserstoffmaser in der Bodenstation generiert werden, und per Uplink zur Raumsonde gesendet werden. Dort wird das empfangene Signal in zwei kohärente Signale umgewandelt und instantan wieder zur Erde zurückgeschickt. Diese Art der Messungen bezeichnet man als „Zweiweg-Experimente“ („Twoway experiments“) (s. Fig.5). Diese Methode wird zum Beispiel bei Mars Express verwendet. Auch für Messungen der Sonnenkorona und Schwerefeldmessungen wird ein Zweiweg-Experiment verwendet.

Für Okkultationsexperimente und bistatisches Radar verwendet man im Allgemeinen ein von der Raumsonde selbst generiertes Signal. Hierfür muss die Raumsonde über einen sogenannten „Ultrastabilen Oszillator“ verfügen. Dies gestattet es, Experimente im Einweg-Verfahren („Oneway experiment“) durchzuführen. Diese Methode wurde zum Beispiel bei Venus Express verwendet.

Two-way radio link:
One-way radio link:

Figure 5: Verschiedene Methoden des Radiolinks

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